k+a 2018.1 : Chinoiserien | Chinoiseries | Chinoiserie

k+a 2018.1 : Chinoiserien | Chinoiseries | Chinoiserie

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Ein Hauch von Fernost

Die Begeisterung für das Riesenreich China hat vor über zwei Jahrhunderten in ganz Europa eine Fülle kunsthandwerklicher Erzeugnisse entstehen lassen. Die Chinoiserie als Modeströmung erstreckte sich dabei von Geschirr, Möbeln und Textilien bis zu kompletten Interieurs, Gartenkunst, Architektur und vielem mehr. In diesen meist europäischen Schöpfungen spiegelt sich dabei ein idealistisch-romantisierendes China als Bild einer heilen Welt. Zu Recht fragen sich die beiden Autorinnen unseres einleitenden Essays: «Was hat die Chinoiserie mit China zu tun?» Denn sowohl die geographisch schwierige Einordnung wie auch der exotisierende Blick der Europäer wirkten eher verklärend als erhellend. Die Gegenwart zeigt uns mitunter ein anderes Bild des Giganten im Fernen Osten: jenes der globalen Industrie macht, deren Dominanz auf viele bedrohlich wirkt. Die Beschäftigung mit den ab Mitte des 17. Jahrhunderts einsetzenden Phänomenen und China-Moden kann indes lohnenswert sein, will man den Blick auf den eigenen und den fremden Kulturraum schärfen, nicht nur im Hinblick auf die Ästhetik. Denn: Was wissen wir heute von China – welchen kulturellen Dialog führen wir? Die Schweizer Beispiele in unserer Frühlingsausgabe zeigen ein reiches Spektrum von Interieurs und Salons in Basel und Neuenburg über Chinoiserien in Seide bis hin zu Porzellan und Hinterglasmalereien aus China; ergänzt durch einen aktuellen Beitrag zum Kulturaustausch mit China, in dem wir die Stimmen beteiligter Künstler hören.

 

Essay | Essai | Saggio
Noémie Etienne, Chonja Lee
Lüster, Lack und Liotard: Techniken und Texturen zwischen Asien und Europa
Die glänzende Oberfläche à l’imitation de la Chine ist ein medienübergreifendes Phänomen

Zusammenfassung
Anhand von Beispielen aus Kunsthandwerk und Kunst zeigen wir auf, wie der Glanz von Oberflächen zu einer der wesentlichsten Herausforderungen in der Chinoiserie-Herstellung in der Schweiz wurde. Die Kunsthandwerker und Künstler in der Schweiz kannten das Porzellan, den Lack und die Stoffe, die damals in ganz Europa verbreitet waren. Die Ausbreitung dieser Produkte war eng mit der diplomatischen und wirtschaftlichen Tätigkeit der betroffenen Länder verbunden (China, Japan, Siam, Frankreich, Deutschland, Holland...). In Europa ging es nun darum, die Herstellungstechniken zu beherrschen, um sie weiterzuentwickeln und die Produkte zu kommerzialisieren. Zudem wurde versucht, den Glanz und die Textur auf andere Medien zu übertragen. Die aus China und Japan importierten Objekte schufen in Europa völlig neue Erfahrungswelten, indem sie die Imitation gewisser Materialien und die plastische Wiedergabe von Lüster und Perlmutt förderte. In seinem Stillleben Teeservice setzt sich beispielsweise der Genfer Maler Jean-Etienne Liotard sehr direkt mit den materiellen Eigenschaften und Formen der asiatischen Lackkunst auseinander und führt einen für Europa neuen visuellen und haptischen Horizont ein.

 

Dossier 1
Anna Jolly
Chinoiserien in Seide
Die Mode der Seidenstoffe mit Chinoiseriemotiven

Zusammenfassung
Im frühen 18. Jahrhundert entstanden in europäischen Manufakturen vermehrt Seidengewebe mit spielerischen Kompositionen und exotischen Motiven, darunter auch Chinoiserien. Insbesondere in den Niederlanden spezialisierten sich Entwurfskünstler und Seidenfabrikanten auf die Produktion von Seidengeweben mit chinoisen Dekors; sie fanden unter dem Namen Indiennes internationale Verbreitung. Die aus kostbaren Materialien und in komplexer Webtechnik auf dem Zugwebstuhl hergestellten Luxusstoffe waren vorrangig für die Konfektion von Damen- und Herrengewändern bestimmt.

 

Dossier 2
Anne-Laure Juillerat, Estelle Niklès van Osselt, Claire Piguet
Cressier, un salon pour les curieux
ou les dessous d’une chinoiserie neuchâteloise

Logo 360°

Zusammenfassung
Der Schatz von Cressier
Bekanntlich sind Dekors mit Chinoiseriemotiven eine Kunst, die zu Beginn des 18.Jahrhunderts ihren Höhepunkt erlebte. Der Zusammenhang mit einem dörflichen Winzerhaus am Neuenburger Jurasüdhang ist daher nicht gerade naheliegend. Ein Haus in Cressier birgt jedoch in der Tat einen echten Schatz, einen kleinen Salon mit überraschender Ausstattung, den man hier niemals vermuten würde. Beim Eintreten taucht der Besucher nach und nach in eine auf die Täfelung gemalte phantastische Landschaft, die von exotischen Figuren bewohnt wird. Chinesen, Vögel, Affen, Drachen, Insekten, Pagoden oder Palmen stehen im verblüffenden Dialog mit europäischen Landschaften. Die Selten heit dieser Thematik in der Schweiz, die vollständige In-situ-Erhaltung einer derartigen Komposition und die ausgezeichnete Lesbarkeit machen dieses Ensemble zu einer einzigartigen Attraktion.

 

Dossier 3
Axel Christoph Gampp
Vom Feinsten
Die chinesische Tapete im Haus zur Sandgrube in Basel

Zusammenfassung
Die chinesische Tapete im Haus zur Sandgrube in Basel, deren Anbringung um 1770 datiert werden kann, belegt auf ikonologischer Ebene die doppelte Bedeutung eines derartigen Objektes: Es ist in höchstem Masse exklusiv, gleichzeitig aber angemessen für die intimsten und privatesten Räume. Beides ist innerhalb der Chinoiserie-Mode typisch. Weil im Raum der Sandgrube aber tatsächlich ein aus China importiertes Material zum Einsatz kam, übertrifft er viele andere, die sich mit Nachahmungsobjekten à la chinoise, jedoch aus europäischer Produktion, begnügen mussten.

 

Dossier 4
Lisa Laurenti
Réminiscences de Chine
Emprunts, imitations et circulation des motifs des indiennes

Zusammenfassung
Reminiszenzen an China
Der vorliegende Beitrag befasst sich mit einer repräsentativen Auswahl von Indienne-Stoffen aus schweizerischen und europäischen Sammlungen und unterstreicht den Stellenwert der im 18. und 19.Jahrhundert aus China eingeführten Motive im Bereich der gedruckten Stoffe. Besondere Beachtung schenkt die Autorin dabei der Kombination östlicher und westlicher Einflüsse sowie dem Dialog zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Die Produktion von Indienne-Stoffen in der Schweiz wie in Europa zeugt von der Beliebtheit «exotischer» Motive. Während Jahrhunderten bieten die Indienne- Stoffe ihren Käufern mehrere dekorative Kategorien, deren Motive sich unter dem Einfluss der Modeströmungen erneuern und anpassen. Sie bringen bestehende Werte zur Geltung und komponieren regelrechte transkulturelle Ensembles mit Anklängen an China, Indien, Persien und Europa. Auch heute noch werden diese Dekors für unterschiedliche Stoffarten oder in der an gewandten Kunst von Kreativen eingesetzt, die im Raum zwi schen Tradition und industriellen Anforderungen zu jonglieren verstehen.

 

Dossier 5
Angelica Tschachtli
Kulturaustausch auf Augenhöhe

Chinoiserie, das war gestern – heute ist China längst nicht mehr Sinnbild für das Exotische. Die rasante Veränderung in der Kunstszene Chinas ist auch für Schweizer Kunstschaffende attraktiv, und Chinas wachsende Mittelschicht interessiert sich immer mehr für die westliche Kultur. Atelieraufenthalte ermöglichen Immersion in eine andere Umgebung und damit einen tiefgehenden Kulturaustausch.

 

Interview | Interview | Intervista
Angelica Tschachtli
«Wenn die Sprache nicht reicht, funktioniert das Material als Referenz»
Mirko Baselgias Aufenthalt in Peking und in der Porzellanstadt Jingdezhen

In der Krypta des Grossmünsters in Zürich zeigt der Bündner Künstler Mirko Baselgia die Installation Transmutaziun mit Petuntse-Granit aus China und Fensterscheiben aus feinstem Porzellan. Er interessiert sich für die Verwandlung von Materialien, für Veredelungsprozesse, zum Beispiel: Wie kann aus groben Steinklötzen feinstes Porzellan entstehen? Er beschreibt, wie er in China mit den Einheimischen zusammenarbeitete und wie dort die Kommunikation lief.

 

Interview | Interview | Intervista
Angelica Tschachtli
«Sprache hat enorme Beschränkungen»
Der chinesische Künstler Lí Wei arbeitete im Herbst 2017 für drei Monate in der Villa Sträuli in Winterthur als Artist in Residence, eingeladen von der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia.

 

Dossier 6
Vincent Lieber
Porcelaines de Chine armoriées pour le marché helvétique, 1740-1780

Zusammenfassung
Chinesisches Porzellan mit Schweizer Familienwappen aus der Zeit zwischen 1740 und 1780
2016 fand im Schloss Nyon eine Ausstellung über chinesisches Porzellan und Spieljetons aus Perlmutt statt. Diese Gegenstände waren im 18.Jahrhundert von Schweizer Familien in China in Auftrag gegeben worden. In der Ausstellung, zu der 2016 und 2017 je eine Publikation erschienen ist, wurden diese Stücke, die vorwiegend von Familien aus Genf, dem Waadtland und aus Freiburg bestellt worden waren, erstmals präsentiert. Während einige dieser Porzellangegenstände, die alle ein Familienwappen tragen, bereits aus früheren Publikationen bekannt waren, konnten andere anlässlich von Versteigerungen von Schlossausstattungen, ins besondere im Kanton Waadt, sichergestellt werden. Erstere sind grösstenteils immer noch im Besitz der Nachkommen jener, die sie im 18. Jahrhundert bestellt hatten. Dabei handelte es sich entweder um Katholiken im Dienste Frankreichs oder sehr oft auch um französische Hugenotten, die in die Schweiz geflüchtet waren und von hier aus weiterhin Handel mit ihrem Ursprungsland trieben. Auf diese Weise blieben sie mit dem Indienhandel in Kontakt, der es ihnen ermöglichte, das Porzellan und die Spieljetons aus Perlmutt in China zu be stellen, um so ihren Schweizer Wohnsitzen einen Hauch von Exotik zu verleihen.

 

Dossier 7
Thierry Audric
La peinture sous verre chinoise
Une chinoiserie mondialement appréciée au XVIIIe siècle

Zusammenfassung
Die chinesische Hinterglasmalerei
Während in Europa die Epoche der Chinoiserie ihren Höhepunkt erlebt, erschaffen chinesische Maler um das Jahr 1720 in Kanton eine in China bisher unbekannte Kunstrichtung: die Hinterglas malerei. Von europäischen Spiegeln, die als Geschenke an den chinesischen Hof gelangt waren, entfernten diese Künstler an gewissen Stellen der Rückseite den Spiegelbelag und bemalten diese seitenverkehrt mit chinesischen oder europäischen Motiven. Dabei bedienten sie sich harmonisch kombinierter Maltechniken aus Europa (Perspektiven und Schatten) und aus China. In aristokratischen Kreisen hat diese hybride Kunst in der Zeit zwischen 1750 und 1850 sowohl in Europa als auch in China einen beträchtlichen Erfolg. Heute befinden sich die Werke weit verstreut in Museen und Galerien in Europa und den Vereinigten Staaten. Im Vitromusée Romont werden diese Gemälde in Zusammenarbeit mit dem Vitro centre nicht nur wissenschaftlich erforscht, hier können sie auch in einer umfassenden Dauerausstellung bewundert werden.

 

KdS | MAH | MAS
Stephanie Ehrsam
Ein wahrer «Lese- und Augengenuss»
Buchpräsentation des 134.KdS-Bands zu den Sakralbauten der Stadt Solothurn

 

Aktuell | Actuel | Attuale
Saskia Ott Zaugg
Festungen in der Schweiz: Festliche Buchpräsentation im Centre Loewenberg
Selbst die massiven Niederschläge am Abend des 14.Dezember 2017 konnten über 70 interessierte Gäste nicht davon abhalten, an der Buchvernissage im Centre Loewenberg teilzunehmen.

 

Aktuell | Actuel | Attuale
Nicole Bauermeister
Billet de la direction
«Ohne Grenzen»

 

Auslandreisen | Voyages à l’étranger | Viaggi all’estero

  • New York – die grossen Kunstmuseen
  • Siebenbürgen und Moldau
    Klöster der Bukowina und Kirchenburgen in Rumänien
  • Romanik in der Auvergne

 

Ausstellungen | Expositions | Esposizioni
Mario Botta.
Spazio Sacro

25. März – 12. August 2018 - Pinacoteca Comunale - Casa Rusca, Locarno

 

Bücher | Livres | Libri
Maler, Krieger, Dichter, Staatsmann und Reformator
Das Schweizerische Institut für Kunstwissenschaft legt den Catalogue raisonné über Niklaus Manuel vor, der Erstaunliches zutage fördert.

 

Impressum | Impressum | Colophon

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Preis
CHF 25.00
GSK-Mitgliederpreis
CHF 17.00
Type:
Buch
Abbildungen
90
Seitenzahl
72
Autoren
Diverse
Artikelnummer
K+A-2018.1
Inhaltssprache
Deutsch
Französisch
Italienisch
Erscheinungsdatum
ISBN
978-3-03797-342-4
Bandnummer
69. Jahrgang, 1.2018
Verlag
Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte