Der Schwerpunkt der Arbeit der GSK liegt traditionell in der Architektur – nun aber nehmen wir mit dieser Ausgabe von k+a ausnahmsweise die schönen Künste in den Fokus. Als uns Jan Blanc von der Universität Genf den Gegenstand seiner wissenschaftlichen Forschung, die Entstehung des Images der Schweiz durch den Austausch mit niederländischen Künstlern, als Thema vorschlug, sprach es uns sofort an.
Bei der GSK erforschen wir den Zusammenhang zwischen dem gebauten Erbe und der Identität eines Ortes; die Kunsttopographie steht im Mittelpunkt der Arbeit. Seltener untersuchen wir den Aspekt dieser Verbindung im Bereich der bildenden Kunst und die vielleicht etwas fragilere Beziehung zwischen der Schweizer Kunstproduktion und dem Territorium, das sie hervorgebracht hat. Und doch gibt es viele Parallelen.
Schweizer Architekten und Künstler haben nie im luftleeren Raum, isoliert vom übrigen Europa, gelebt. Viele der Merkmale, die traditionell mit der Schweizer Produktion verbunden sind, haben sich dank dem Beitrag ausländischer Künstler entwickelt. Diese liessen sich in der Schweiz nieder, besuchten das Land, oder ihre Werke fanden hier Verbreitung.
Da es keine offensichtlichen ikonischen Denkmäler der Schweiz als Nation gibt, haben die Natur und die Berge das Bild unseres Landes in der kollektiven Vorstellung geprägt. Der Fall der niederländischen Maler erlaubt uns, nachzuvollziehen, wie diese Darstellung allmählich entstanden ist. Seit Beginn der Neuzeit haben sie regelmässige Beziehungen zum Schweizer Territorium und zu seinen Künstlern unterhalten. Sie haben eine gemeinsame Imagination gepflegt, aus der paradoxerweise einige der zentralen Aspekte von «Swissness», wie religiöse Kunst oder auch die Darstellung der Berge, hervorgegangen sind. Diese Ausgabe von k+a ist der Entdeckung dieser Verbindungen zwischen zwei scheinbar so unterschiedlichen künstlerischen Traditionen gewidmet.
Essay | Essai | Saggio
Jan Blanc
Pays-Bas/Suisse
Un essai d’histoire artistique croisée (XVe-XXe s.)
Zusammenfassung
Niederlande–Schweiz - Versuch eines kunstgeschichtlichen Dialogs (15.–20. Jh.)
Das Verständnis der Geschichte des künstlerischen Austauschs zwischen den Niederlanden und der Schweiz setzt die Auseinandersetzung mit den Reisen der Künstler, den Werken und den Käufern voraus. Zu untersuchen ist auch, welche Vorstellungen die Künstler, die in diesen Ländern tätig waren, voneinander hatten. Einzig ein Ansatz, der die Erkenntnisse der Kunstgeographie mit der Untersuchung des Kulturtransfers kombiniert, ermöglicht die Loslösung vom naiven Konzept der «Schulen», «Einflüsse» oder «künstlerischen Identitäten», um eine dynamische Analyse der Beziehungen zwischen den Künstlern herauszuarbeiten, die sich gegenseitig bereichern.
Dossier 1
Lucie Rochard
Eine gebändigte Gebirgswelt
Die imaginäre Alpenwelt in der niederländischen Kunst (15.–18. Jahrhundert)
Zusammenfassung
Seit der Renaissance wurde den niederländischen Landschaftsmalern immer wieder vorgeworfen, sich lediglich mit der Darstellung von Landschaften zu begnügen, die sich an denjenigen der Vereinigten Provinzen orientierten. Die Alpen wurden von den Reisenden in der Regel noch gemieden und gehörten für die meisten Künstler in den Bereich des Imaginären. Ab Ende des 16. Jahrhunderts wurden jedoch für die Maler die Traversierung der Alpen und damit Darstellungen, die direkt von der Natur inspiriert waren, unumgänglich. Die niederländischen Künstler waren in der Folge an der Ausarbeitung und Verbreitung eines stereotypen Bildes der Alpen in den Niederlanden und darüber hinaus in ganz Europa beteiligt. Mit der Fixierung dieser Vorstellung von Gebirgswelt wurden die Alpen im 18. Jahrhundert zu einem bekannten europäischen Landschaftstyp, während parallel dazu die ikonographischen und formalen Lösungen der niederländischen Meister in der Landschaftsmalerei eine zentrale Rolle einnahmen und schliesslich in die erhabenen Landschaften des 19. Jahrhunderts mündeten.
Dossier 2
Aude Prigot
«Ein Land, das man einfach malen muss»
Die niederländischen Landschaftsmaler und die Schweiz im 17. Jahrhundert
Zusammenfassung
Trotz zahlreicher wirtschaftlicher, militärischer oder religiöser Kontakte zwischen den helvetischen Kantonen und den Vereinigten Provinzen im Verlauf des 17. Jahrhunderts bleibt die Rolle der Schweiz in der Entwicklung der Landschaftsmalerei in den Niederlanden jener Zeit in mancher Hinsicht noch im Dunkeln. Dieser Artikel befasst sich nicht so sehr mit der Reisetätigkeit von Individuen als vielmehr mit der Verbreitung wesentlicher Motive aus der Schweiz, die im Repertoire der niederländischen Maler Eingang gefunden haben. So haben beispielsweise der Vorder Glärnisch, der natürliche Felsbogen von Pierre Pertuis oder der Rheinfall bei Schaffhausen dazu beigetragen, helvetisches Naturerbe in ganz Europa und in der europäischen Kunstauffassung bekannt zu machen.
Dossier 3
Claudia Gaggetta
L’arte fiamminga a sud delle Alpi
Echi nei dipinti in terre ticinesi tra Quattro e Cinquecento?
Zusammenfassung
Die flämische Kunst südlich der Alpen. Einflüsse in der Tessiner Landschaftsmalerei im 15. und 16. Jahrhundert?
Das Gebiet des heutigen Kantons Tessin ist eng mit der künstlerischen und kulturellen Geschichte des Herzogtums Mailand verbunden, unter dessen Verwaltung es seit 1395 stand. Die Bewunderung für die flämischen Werke am Mailänder Hof – seit der Machtübernahme von Francesco Sforza im Jahr 1450 – begünstigte die Einfuhr von Gemälden, namentlich von Rogier van der Weyden, und die Verbreitung von Modellen in der Lombardei. Diese künstlerische Ausrichtung scheint auch im Tessin Anklang gefunden zu haben. Die Ikonographie und Komposition gewisser Werke weisen in der Tat Parallelen mit dem Schaffen lombardischer Künstler auf, die der französisch-burgundischen bildenden Kunst gegenüber sehr empfänglich waren, wie beispielsweise Vincenzo Foppa, und scheinen auf die in Italien sehr bekannten flämischen Werke zu verweisen. Andererseits wird die Auswahl der niederländischen Vorbilder der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts auch durch die Verbreitung der Drucke von Albrecht Dürer beeinflusst, die südlich der Alpen sehr beliebt sind.
Dossier 4
Céline Tritten
Spring et Summer
Mary Moser et l’art hollandais des XVIIe et XVIIIe siècles
Zusammenfassung
Spring und Summer – Mary Moser und die niederländische Kunst des 17. und 18.Jahrhunderts
Im Jahr 1768 wurde die Schweizer Blumen malerin Mary Moser zum Gründungsmitglied der Royal Academy in London ernannt, was ein ausserordentliches Privileg darstellte für eine Frau, die sich in einer untergeordneten Bildgattung niederländischer Tradition spezialisiert hatte. Der extrem glatte und präzise Malstil der Niederländer faszinierte zwar manchen Liebhaber, der Präsident der Royal Academy, Joshua Reynolds, bezeichnete sie jedoch als eher oberflächliche Darstellungsweise und ungeeignet zur Darstellung idealer Schönheit, die grosse Kunst auszeichne. Die Analyse der um 1780 für die Sammlung der Academy gemalten Bilder Spring und Summer zeigt auf, wie Moser diese beiden Aspekte des niederländischen Kunstgeschmacks zu vereinen und die Blumenstillleben zu erneuern versteht. Ihr Spiel mit Helldunkel, die Transparenz und ihr freier Pinselstrich ermöglichen es ihr, über die exakte Wiedergabe der Natur hinauszugehen.
Dossier 5
Laurent Langer
« Les Hollandais furent des maîtres absolus et parfaits »
La réception de la peinture hollandaise du XVIIe siècle chez les artistes suisses du XIXe siècle
Zusammenfassung
Der Einfluss der niederländischen Malerei des 17.Jahrhunderts auf das Werk von Schweizer Künstlern im 19. Jahrhundert
Die niederländische Malerei des 17.Jahrhunderts dient Schweizer Künstlern im 19.Jahrhundert auf ihrer Suche nach einer identitären Ausdrucksform oft als Modell. Sie gehörte in jener Zeit zu den Beispielen, die ein Künstler im Verlauf seiner Ausbildung kopierte und die ihm in seinen Frühwerken als Inspiration diente. Die Kopierübungen konnten in der Schweiz stattfinden, wo sich einige Werkgruppen befanden – oder in Ausbildungszentren im Ausland (Paris, München, Brüssel oder Antwerpen), aber auch in den Niederlanden. Im Verlauf der Künstlerkarrieren diente die niederländische Kunst einerseits punktuell als Anstoss zu Kompositionen mit religiösen Motiven, während sie andererseits für gewisse Künstler eine regelmässige Inspirationsquelle war.
Dossier 6
Jeanne Gressot
Éliézer et Rébecca au puits
Un tableau néerlandais à la Fondation Martin Bodmer
Zusammenfassung
Elieser und Rebekka am Brunnen – ein niederländisches Bild in der Fondation Martin Bodmer
Die für ihre weltweit einzigartige Dokumentensammlung bekannte Fondation Martin Bodmer beherbergt auch einen interessanten Bestand an Kunstobjekten, darunter ein Gemälde mit der Darstellung von Elieser und Rebekka am Brunnen, die dem niederländischen Maler Cornelis Cornelisz. Buys zugeschrieben wird. Dieses Werk bietet Gelegenheit, auf einen bisher wenig erforschten Aspekt des Kunstverständnisses von Martin Bodmer einzugehen: sein Interesse für das Bild, die christliche Ikonographie und für die Kunst und Literatur der Niederlande. Als Beispiel einer bildlichen Darstellung einer biblischen Szene fügt sich das Gemälde hervorragend in die Sammlungen der Bodmeriana ein. Es steht im Dialog mit den kostbaren religiösen Texten des Bestandes und der Geschichte des Buchs, der sich die Institution verschrieben hat. Das Werk zeugt ausserdem vom Interesse des Sammlers für einen holländischen Zweig der Weltliteratur, von der mehrere Beispiele hier vorgestellt werden.
KdS | MAH | MAS
Carolin Krumm
Die Kunstdenkmäler des Kantons St. Gallen VI. Die Region Werdenberg
Der im November erscheinende Kunstdenkmälerband widmet sich der Region Werdenberg ganz im Osten der Schweiz. Autorin Carolin Krumm gelingt es, die Geschichte des Städtchens Werdenberg komplett neu zu schreiben. Dafür war jahrelange Forschungsarbeit in kalten Kellern nötig.
KdS | MAH | MAS
Daniel de Raemy
Les Monuments d’art et d’histoire du canton de Fribourg VI. Le district de la Broye I. La ville d’Estavayer-le-Lac
Le sixième tome fribourgeois qui paraîtra en novembre s’intéresse à la ville d’Estavayer-le-Lac. Avec une approche novatrice, alliant les recherches historiques et archéologiques, l’auteur Daniel de Raemy met en évidence le processus évolutif de la ville du Moyen Âge jusqu’au XXe siècle.
Aktuell | Actuel | Attuale
Nicole Bauermeister, Direktorin der GSK
Billet de la direction
Mit Abstand gemeinsamen Zielen entgegen
Aktuell | Actuel | Attuale
Marianne Progin Corti
In memoriam Hermann Schöpfer-Stauffer
16. Februar 1939 – 1. Juli 2020
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Publikationen der GSK | Publications de la SHAS | Pubblicazioni della SSAS
Denkmalpflege
Europäische Tage des Denkmals 2020
Lebensraum gestalten – Anbauen, Aufstocken, Neubauen
Nun steht es fest. Die Europäischen Tage des Denkmals vom 12. und 13. September 2020 finden statt. Die diesjährigen Denkmaltage laden unter dem Patronat von Bundesrat Alain Berset zur Debatte über «Weiterbauen – Verticalité – Costruire nel costruito – Construir en il construì» ein.
Ausstellungen | Expositions | Esposizioni
Der Exotismus kommt ins Palais de Rumine
Der Schweizer Blick nach aussen im Zeitalter der Aufklärung
Auf der ganzen Welt finden aktuell Kundgebungen gegen Rassismus und Ausgrenzung statt. Die Ausstellung Exotic? hinterfragt Klischees, Diskriminierungen und teils negative Blicke auf andere Kulturen, die über Jahrhunderte konstruiert wurden – und sich hartnäckig zu halten scheinen.
Focus Handwerk
Die Liebe zur Oberfläche
Der Schweizer Blick nach aussen im Zeitalter der Aufklärung
Mit individuellen Lösungen leistet die Firma Kradolfer Gipserhandwerk im thurgauischen Weinfelden einen wichtigen Beitrag zur Baukultur. Jenseits normierter Standardlösungen sucht das Team von Reto und Jörg Kradolfer nach neuen Wegen, um die Vielfalt des Handwerks auszuloten – im Zusammenspiel mit allen am Bau Beteiligten. Zugleich werden in regelmässigen Atelier-Workshops Fachleuten und interessierten Laien spezielle Techniken des Gipserhandwerks vermittelt.
Auslandreisen | Voyages à l’étranger | Viaggi all’estero
- Frühling in der Provence
Höhepunkte der Landschaft, Kunst und Architektur - Ravenna, Pavia, Mailand
Römer, Byzantiner und Germanen im frühmittelalterlichen Oberitalien
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