Für viele Schweizer Städte sind Warenhäuser seit Beginn des 20. Jahrhunderts wichtige Elemente der Zentrumsbildung – an diesen «Kathedralen des Handels und Tempeln des Konsums» manifestiert sich der Wandel hin zur modernen Industriegesellschaft. Allein die schiere Grösse der Bauten führte in den eher kleinen Schweizer Städten zu einer Grossstadtästhetik, die beeindruckend wirkte.
Unser Autor Melchior Fischli führt uns im einleitenden Beitrag durch die faszinierende Geschichte dieses Bautypus, während Tilo Richter anhand der Markthalle in Basel zeigt, wie die Expansion der Stadt zum bedeutenden Industriestandort einen Bau der Superlative ermöglichte. Der zentrumsnahe Bau beim Bahnhof SBB war mit seinen Dimensionen – eine 30 Meter hohe Kuppel mit einem Durchmesser von 60 Metern – Ende der 1920er Jahre immerhin der drittgrösste Massivkuppelbau der Welt und wurde zum Symbol der Moderne im Basler Stadtbild.
Weitere Beispiele aus der Romandie – wie etwa die Markthalle in Vevey als Ikone der Moderne – oder die Erkundung der handels- und verkehrsbegleitenden Einrichtungen in vormoderner Zeit im Alpenraum bereichern das Thema und erweitern es. Und auch die Rolle der Wasserwege und die Funktion der Rheinhäfen am Dreiländereck – wo immerhin rund 15 Prozent des schweizerischen Aussenhandels umgesetzt werden – runden das farbige Bild eines Landes ab, das sich wirtschaftlich gesehen vorwiegend als Handelsnation versteht.
Dossier 1
Melchior Fischli
Architektur belebt das Geschäft
Ein kleiner Rundgang durch die Architekturgeschichte des Warenhauses in der Schweiz
Zusammenfassung
Eigentliche Kathedralen des Handels und Tempel des Konsums waren seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert die Warenhäuser. Allein schon durch Grösse und Personenfrequenz besonders markante Erscheinungen in den Innenstädten, versammelten sie das durch Industrialisierung und internationalen Handel verfügbare Warenangebot und stellten gleichzeitig einen wesentlichen Baustein der entstehenden Citybildung dar. Vor allem gaben sie im Lauf des 20. Jahrhunderts wiederholt auch Anlass zu bemerkenswerten baulichen Lösungen, die mit der Investition in gute Architektur immer auch auf gute Umsatzzahlen schielten.
Beginnend mit den ersten Warenhäusern in Zürich in der Zeit um 1900 stellt der Aufsatz an schweizerischen Beispielen dar, wie im Lauf des 20. Jahrhunderts unterschiedliche Forderungen die Gestaltung prägten: von den Forderungen nach guter Belichtung und monumentaler Wirkung über die Grossstadtästhetik der Zwischenkriegszeit hin zum vollklimatisierten, «amerikanischen» Warenhaus der Nachkriegszeit. Ein wiederholtes Thema war im 20. Jahrhundert die Haltung zum Stadtbild, gerade da, wo die Geschäftsquartiere mitten in den Altstädten entstanden. Eine Antwort auf die Herausforderung durch vorstädtische Shopping-Center war schliesslich die Entwicklung innerstädtischer Pendants, die auch im Zeichen der Rückwendung auf die kompakte, dichte Stadt in den 1970er und 80er Jahren zu sehen ist.
Dossier 2
Tilo Richter
Kuppel der Superlative
Mit der Grossmarkthalle stiess Basel 1929 in neue Dimensionen vor
Zusammenfassung
Basels Expansion zur Industriegrossstadt war in vollem Gange, als die neue Markthalle beim Bundesbahnhof in den Jahren 1928/29 Gestalt annahm. Der Bau der Superlative löste das Problem des Obst- und Gemüsegrosshandels am Rheinknie und wirkte darüber hinaus als Symbol der Moderne im Basler Stadtbild.
Die grosse, stützenfreie Kuppel diente nicht dem Selbstzweck oder der Veranschaulichung ingenieurtechnischer Leistungen, sondern schuf einen Raum, der ohne bauliche Einschränkungen genutzt werden konnte. Der Betrieb der Engros-Markthalle war geprägt vom Umschlag grosser Warenmengen: Autos, Transporter und Lastwagen konnten ins Halleninnere fahren, um Obst und Gemüse auf- und abzuladen. Mit ihrer 30 Meter hohen Kuppelkonstruktion und einem Durchmesser von 60 Metern war die Basler Markthalle zu ihrer Entstehungszeit der drittgrösste Massivkuppelbau der Welt.
Dossier 3
Joëlle Neuenschwander Feihl
Les Galeries du Rivage à Vevey
Une réalisation exceptionnelle des années 1930
Zusammenfassung
Die Galeries du Rivage in Vevey – eine aussergewöhnliche Leistung der 1930er Jahre
Mitte der 1930er Jahre errichtete die Stadt Vevey in einem Klima der Wirtschaftskrise und politischer Spannungen eine Markthalle. Während das Programm der Markthalle ein Leitmotiv der Stadtplanung der Zwischenkriegszeit ist, ist die Markthalle in Vevey die einzige Realisierung in der Westschweiz. Aufgrund seines architektonischen Vokabulars und vor allem wegen seiner Stahlbetonstrukturen – insbesondere das Gewölbe der Markthalle und das Vordach des Wagenplatzes –, die vom Ingenieur Alexandre Sarrasin entworfen wurden, stellt das Gebäude ein wichtiges Beispiel für die moderne Architektur der Westschweiz dar.
Dossier 4
Elio Ostinelli, Aurelio Muttoni, Franco Lurati
Il Centro Ovale di Chiasso e la sua struttura a guscio
Zusammenfassung
Das Centro Ovale in Chiasso und seine Schalenkonstruktion
Das 2012 eingeweihte Centro Ovale in Chiasso ist ein ellipsenförmiges Objekt aus dünnem Beton, das mit perforiertem Aluminiumblech verkleidet ist; das Gebäude steht auf einem Sockel, der durch Wasserflächen und Springbrunnen von seiner Umgebung getrennt ist. Im Inneren beherbergt das Gebäude ein Einkaufszentrum und ist mit seiner markanten Form ein Symbol für die Entwicklung der Grenzstadt Chiasso. Dieser Beitrag zeichnet die Entstehungsgeschichte des architektonischen Entwurfs nach und veranschaulicht die technischen Merkmale dieser kühnen Schalenkonstruktion.
Dossier 5
Marie-Claude Schöpfer-Pfaffen
Hospize, Spitäler, Herbergen und Susten
Dem Handel und Verkehr dienende Gebäude im vormodernen Alpenraum
Zusammenfassung
In den Alpentälern richtete sich das Geflecht von handels- und verkehrsbegleitenden Einrichtungen in vormoderner Zeit weitgehend an den grossen überregionalen Verkehrsströmen und dem internationalen Transit aus. Die Funktionen von Infrastrukturbauten bestanden dabei zur Hauptsache in der Kontrolle der Personen- und Warenzirkulation, in der Sicherung und Versorgung der Wege und Strassen und in der finanziellen Abschöpfung des durchfliessenden Verkehrs und Handels.
Hospize und Spitäler, dem Handelsverkehr als Warenlager und Umschlagplätze dienende Susten und Herbergen säumten während der vormodernen Jahrhunderte vor allem diejenigen Linienführungen im Alpenraum, die dem lukrativen Verkehr überregionaler und transalpiner Ausrichtung dienten. Während Hospize und Spitäler bis zum späten Mittelalter in der Regel von geistlichen Instanzen betrieben wurden, stellten die mit Niederlags- oder Stapelrechten (Pflicht, das Transitgut in der Suste einzulagern und oftmals für eine gewisse Zeit zum Kauf anzubieten) ausgestatteten Sustgebäude sowie das verbundene Transportwesen bevorzugte handels- und verkehrspolitische Objekte weltlicher Herrschaftsträger dar. Die Herbergen wurden, waren sie nicht in Gebäuden untergebracht, die weitere Verkehrsfunktionen erfüllten, von privaten Akteuren betrieben.
Dossier 6
Viola Müller
Der Hafen Kleinhüningen in Basel
Tor zu den Weltmeeren
Zusammenfassung
Die Rheinhäfen sind für die Schweiz der Zugang zu den internationalen Wasserstrassen. In Kleinhüningen, Birsfelden und Muttenz werden jährlich etwa 15 Prozent des schweizerischen Aussenhandels umgesetzt. Im Hafen Kleinhüningen kommen vor allem Getreide, Futtermittel, Aluminiumbarren und Container mit den grossen Schiffen an. Merkmal dafür sind die grossen Silos und Lagerhäuser. Der Hafen ist ein Industriebetrieb, bei dem die Abläufe möglichst rationell ablaufen. Viele Menschen finden dort Arbeit und Auskommen. Wirtschaftlich wichtig ist der Hafen Kleinhüningen auch als Pflichtlager für vom Bund vorgeschriebene Güter, um gegen plötzliche Engpässe gewappnet zu sein.
Neben dieser wachsenden Bedeutung ist die Hafenanlage Kleinhüningen mit den Gebäuden, den Kran- und Bahnanlagen sowie der Umgebungsgestaltung aus städtebaulicher, wirtschaftshistorischer, technik- und architekturgeschichtlicher Sicht ein einzigartiger industriekultureller Zeuge. Der Hafen prägt den nördlichsten Teil der Stadt und bildet als Tor zu den Weltmeeren einen unverzichtbaren Identifikationspunkt sowohl für Basel als auch für die Schweiz. Er muss auch nach den Transformationsprozessen mit seinen vielfältigen Qualitäten erhalten bleiben.
Dossier 7
Walter Thut
Vergessene Wasserwege
Die kommerzielle Schifffahrt auf der Aare
Zusammenfassung
Architektonische oder technische Erinnerungsstücke aus der Zeit der einst verbreiteten Schifffahrt auf Schweizer Flüssen sind selten geworden. Dies gilt auch für die Aare. Entlang ihres Verlaufs sind im Mittelalter Orte und Städte entstanden – mit regionaler Zentrumsfunktion für Handel und Verkehr, militärischer Sicherheit und Verwaltung. Wo die Bedeutung im später wichtigeren Strassennetz hoch war, wuchs der Ort, wo ein Bedeutungsverlust geschah, blieb der Ort idyllisches Landstädtchen. Überall aber wurde nicht mehr benutzte Verkehrsinfrastruktur weggeschafft und die Lagen am Wasser nach neuen Bedürfnissen genutzt. Übrig blieben indirekte Zeugen des Schiffsverkehrs: Türme, Kornhäuser und Salzhäuser, die früher der Lagerung von Waren dienten, wie etwa in Aarberg oder Brugg, Tore und Törchen am Weg von der Lände in die Stadt, so etwa in Klingnau, frei gebliebene Räume am Wasser wie in Aarau. Sie machten die Schaffung von Parkanlagen an genau jenen Orten möglich, wo früher Weidlinge und Flösse angelandet wurden.
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Nicole Pfister Fetz, lic. phil. I, Präsidentin GSK
Billet de la présidente
Des Sehens würdig oder Art To Go
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Von repräsentativen Bauten...
Drei neue Kunstführer offenbaren spannende Geschichten: zu einem kunstvoll gestalteten Bau, dessen Stube bis in die Vereinigten Staaten transportiert wurde; zu einem edlen Hotel in den Alpen, das sich heute noch – nach fünf Generationen – im Familienbesitz befindet; und zu einer bernischen Campagne, die heute auch für die Öffentlichkeit zugänglich ist.
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GV in Stans: Zu den Ursprüngen der «Kunstdenkmäler der Schweiz»
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Nachruf Jürg Ganz, Denkmalpfleger des Kantons Thurgau
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Samuel Buri und das Berner Oberland
Kunstausstellung im Schloss Spiez vom 21. Juni bis 20. Oktober 2024
Die Sommerausstellung im Schloss Spiez ist dieses Jahr einem bekannten Maler aus Basel gewidmet. Das Berner Oberland, wo Samuel Buri seit der Jugendzeit oft in den Ferien weilt, inspiriert ihn immer wieder aufs Neue.
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Du château au campus universitaire, La Tour-de-Peilz et Genève
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ISBN 978-2-8321-1265-6
CHF 60.00
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