k+a 2025.4 : Radiostudios in der Schweiz | Studios radiophoniques en Suisse | Studi radiofonici in Svizzera

Cover k+a 2025.4 : Radiostudios in der Schweiz | Studios radiophoniques en Suisse | Studi radiofonici in Svizzera

Als kleines Land besitzt die Schweiz eine erstaunlich hohe Dichte an Studiostandorten. Grund dafür ist nicht allein die Mehrsprachigkeit, sondern auch die Bedeutung der regionalen Radiogenossenschaften in der Frühzeit der elektronischen Medien. Wir haben den aktuellen Umbau und die Umnutzung des Radiostudios Brunnenhof in Zürich – einst Heimat des Radio-Orchesters Beromünster – zum Anlass genommen, um Ihnen Einblicke in die Geschichte des Mediums zu gewähren und einige Besonderheiten der Architektur von Schweizer Studiobauten nahezubringen.

Als ältestes elektronisches Massenmedium entfaltete das Radio ab den 1930er Jahren eine enorme Dynamik – und wurde einerseits zu einem Sinnbild der Verbundenheit mit der Welt, andererseits aber auch zum Medium der Spaltung im Dienst nationalistischer Propaganda.

Die bescheidene Eröffnung des Erweiterungsbaus des Brunnenhofs im Jahr 1939 kann zweifellos als eine der «Sternstunden des Schweizer Radios» gelten, wie Theo Mäusli in seinem Beitrag schreibt. Dass dafür wesentlich auch das «Herzstück», nämlich Oscar Lüthys monumentales Wandgemälde Farbensymphonie, verantwortlich war, das den Konzertsaal und unser aktuelles Cover schmückt, war Grund genug für uns, die Geschichte dieses Werks eingehender zu erforschen.

Ergänzend zu diesen Themen haben sich unsere Autorinnen und Autoren im zweiten Teil des Hefts mit der Baugeschichte von Radiostudiobauten in Lugano, Genf und Lausanne beschäftigt – womit das Schweizer Radiostudio-Panorama in seiner ganzen Vielfalt gezeigt wird.

 

Essay | Essai | Saggio
Theo Mäusli
Radio als globales Massenmedium in turbulenten Zeiten
Zur Bedeutung des Radios in der Schweiz Ende der 1930er Jahre

Zusammenfassung
Das Schweizer Radio erreichte gegen Ende der 1930er Jahre mindestens die Hälfte aller Haushalte und genoss grosse Beliebtheit in der Bevölkerung, ganz besonders auch in Arbeiterkreisen. In den Anfängen überwog der internationale Aspekt, die Freude, an einer universalen Gemeinschaft teilzuhaben. Als universale Sprache spielte Musik, die in hohem Mass eigenproduziert und international ausgetauscht wurde, im Programm, aber auch beim Aufwand der Radiostudios eine zentrale Rolle. Mit der Vereinnahmung durch die Propaganda in totalitären Staaten wurde dieser Gemeinschaftsbezug zunehmend lokal. Es wurde somit zum geeigneten Instrument, um im Rahmen der Geistigen Landesverteidigung einen Schweizergeist heraufzubeschwören und zu zelebrieren. Somit erhielt das Radio staatstragendes Prestige. Als gegen Kriegsende der Schweizergeist aus dem Zentrum rückte, schlingerte das Deutschschweizer Radio in eine Krise.

 

Dossier 1
Stefan Sandmeier
Musikproduktion im Radiostudio Zürich-Brunnenhof 1931–1970
Die Heimat des Radio-Orchesters Beromünster

Zusammenfassung
Ab 1933 war das Radiostudio Zürich-Brunnenhof die Heimat des Deutschschweizer Radioorchesters. Zusammen mit dem Orchester, das von 30 auf 48 Stellen erweitert wurde, wuchs auch der Platzbedarf. Deshalb wurde das Zürcher Studio 1939 u.a. um einen grösseren Konzertsaal erweitert. Doch die hohen Kosten für ihre Orchester brachten die SRG unter Spardruck. Mitten im Weltkrieg kam es in der Schweiz deshalb zum vielbeachteten «Orchesterkrieg». Das Orchester wurde verkleinert, der Dirigent Hans Haug ging aus Protest. Politische Turbulenzen führten dazu, dass 1950 auch sein Nachfolger Hermann Scherchen seinen Posten räumen musste. Mit der Wahl von Erich Schmid 1957 begann eine künstlerische Konsolidation. Medienpolitische Gründe führten jedoch dazu, dass das Radioorchester 1970 nach Basel verlegt wurde und der Brunnenhof langsam aus dem Fokus der SRG-Musikproduktion geriet.

 

Dossier 2
Karin Gimmi
Beständig im Wandel
Das Ensemble Brunnenhof

Zusammenfassung
Das Radiostudio Brunnenhof ist ab 1933 über verschiedene Etappen hinweg entstanden. 2025 konnte der Bau neu als Sekundar- und Musikschule wiedereröffnet werden. In den fast hundert Jahren Baugeschichte lassen sich unterschiedliche Strategien des Weiterbauens ablesen und miteinander in Beziehung setzen. Während Otto Dürr seinen eigenen Bau der 1930er Jahre durch Addition auf das doppelte Volumen vergrösserte und den Zweckbau im Stil der damaligen «Landi»-Architektur zum Sprechen brachte, wählte Max Bill für seine Erweiterung die Strategie, Dürrs Altbau weitgehend zu neutralisieren und geschickt im neuen Hochhauskomplex aufgehen zu lassen. Die jüngste Umbauetappe ging bewusst vom vorhandenen Bestand aus, ihre Eingriffe fanden an verschiedenen Stellen und mit situationsbezogenen Lösungen statt. Architektonisch bringen Spillmann Echsle durch stimmige Lichtführung, im Auffrischen historischer Details und mit rationaler Klarheit frische Gegenwart in den alten Brunnenhof.

 

Dossier 3
Alex Winiger
Oscar Lüthys Farbensymphonie und die Radioarchitektur um 1940
Repräsentationsgesten für das Medium Radio

Zusammenfassung
Das Radio erlebte seine Blüte wie die monumentale Wandmalerei in der Zeit von 1920 bis 1960. Nach dem Ersten Weltkrieg standen die beiden Massenmedien für die Vermittlung der bildenden Künste respektive der Musik an ein breites Publikum. Während Radio und Fernsehen die Augen und Ohren der Massen vereinnahmten, blieben die Stätten ihrer Produktion dem Publikum praktisch unbewusst, ähnlich einer Fabrik, deren Produkt allgegenwärtig ist, während der Konsument das Gebäude, dem es entstammt, nie gesehen haben muss.
Otto Dürr entwickelte mit seinem Erweiterungsbau von 1937–1939 am Brunnenhof in Zürich-Unterstrass ein repräsentativ wirkendes Gebäudekonglomerat, das seine Wirkung aus der geschickten Anordnung der Gebäudeteile und funktionaler Elemente wie Deckenrastern und Pfeilern bezog. Höhepunkt der Ausstattung war das Wandgemälde von Oscar Lüthy an der Stirnwand des grossen Konzertstudios, einzigartig im Vergleich zeitgenössischer europäischer und schweizerischer Studiobauten. Die Geste wirft die Frage auf, was der Sinn einer visuellen Repräsentation für das nichtvisuelle Medium sei.

 

Dossier 4
Silvia Volkart
«Eine eventuell sogar abstrakte Malerei»
Oscar Lüthys Wandbild Farbensymphonie im Radiostudio Zürich

Zusammenfassung
Für den Konzertsaal des Erweiterungsbaus des Radiostudios Zürich wünschte sich die Bauherrschaft einen abstrakten Bilderschmuck. Sie gelangte deshalb im Sommer 1938 an den Zürcher Stadtrat mit der Bitte um eine Finanzierung. Die Suche nach einem geeigneten Künstler hatte kaum begonnen, als sich der Mäzen Diego Hagmann an den Radiodirektor Jakob Job wandte und ihm den Maler Oscar Lüthy für die Aufgabe empfahl. Job agierte rasch, bat den Künstler um die Anfertigung von Entwürfen und legte diese im Herbst/Winter verschiedenen Gremien zur Begutachtung vor. Im Mai/Juni 1939 realisierte Lüthy das Monumentalbild Farbensymphonie. Allerdings erfuhr das Gemälde damals nur wenig Beachtung, obschon es innerhalb der figurativen Wandbildkunst der «Landizeit» eine Ausnahmeerscheinung darstellte. Zur Wertschätzung kam es erst 1981.

 

Dossier 5
Mireille Blatter, Silvana Rageth
Vom Brunnenhof zum Schulhof
Denkmalpflegerische Erwägungen zur Umnutzung eines Radiostudios

Zusammenfassung
Das denkmalgeschützte Radiostudio Brunnenhof in Zürich wird zur Sekundar- und Musikschule umgebaut. Ursprünglich 1932/33 von Otto Dürr erbaut und später von Willy Roost und Max Bill erweitert, wird der Gebäudekomplex aktuell an die vielfältigen Anforderungen einer modernen Schulnutzung angepasst. Der Entwurf von Spillmann Echsle orientiert sich an der erhaltenen Bausubstanz und berücksichtigt die spezifischen Bedingungen des ehemaligen Radiostudios mit seinen geräumigen Tonstudios und ausgeklügelten Akustikeinrichtungen. Die neuen Raumbedürfnisse, wie Unterrichtszimmer, Mensa und Musikräume, konnten von den Architekten ohne umfangreiche Eingriffe in die bestehende Struktur integriert werden. Diese Verschränkung von Alt und Neu schafft ein zeitgemässes, nachhaltiges Raumkonzept und bringt den Wert der historisch wertvollen Raumwirkung wieder zum Erstrahlen. Das Projekt zeigt, wie denkmalgeschützte Gebäude durch umsichtige, ressourcenschonende Strategien und dank einer sinnvollen Umnutzung weiterleben können, ohne ihre historische Identität zu verlieren.

 

Dossier 6
Sabine von Fischer
Entkoppeln, um zu verbinden
Raum-im-Raum-Konstruktionen für störungsfreie Radioaufnahmen

Zusammenfassung
Radio hat keinen Ort, Radiowellen erreichen die ganze Welt. Ein Radiostudio aber, als Architektur, Kulturraum und Gedächtnis, ist ein Ort mit einer besonderen Konstruktion. Wie Radiowellen in der Luft sind auch die konstruktiven Massnahmen, die Radioproduktion ermöglichen, mehrheitlich unsichtbar, nichtsdestotrotz sehr wichtig: In der Architektur des Radiostudiobaus sind akustische Trennlagen und Oberflächenstrukturen für die Sendequalität entscheidend. Ausgehend von den frühen Studioräumen der Zürcher Radio-Genossenschaft an der Uraniastrasse und am Brunnenhof geht dieser Beitrag den Materialien und konstruktiven Herausforderungen von Funkhäusern nach.

 

Dossier 7
Guillaume Pause
La Maison genevoise de la radio
Quand la musique est portée par les ondes

Zusammenfassung
Das Radiostudio Genf
Das vom Architekten Jean Camoletti entworfene Genfer Radiostudio wurde 1940 eingeweiht, zu einer Zeit, als der Schweizer Rundfunk einen grossen Aufschwung erlebte. Im hinteren Teil des Gebäudes bot ein geräumiges Studio Platz für die Musiker des Orchestre de la Suisse romande, das damals von Ernest Ansermet dirigiert wurde. Anfang der 1950er Jahre erteilte Radio-Genève Camoletti den Auftrag für einen Erweiterungsbau. Dieser zeichnet sich durch eine grosszügige Eingangshalle aus, die an beiden Enden mit Wandteppichen des Künstlers Eric Poncy geschmückt ist. Die Geschichte dieses Gebäudes, das mehrfach umgebaut und dann in den 2010er Jahren teilweise abgerissen wurde, gibt spannende Einblicke in die Entwicklung der Architektur, die im Genf des 20. Jahrhunderts für die Bedürfnisse des Rundfunks entworfen wurde.

 

Lesen Sie einen weiteren Artikel der Autorin Daniela Zetti zum Thema auf unserer Website Péristyle

Die Radiostudios in Lausanne, La Sallaz, 1935–2026
Rückblick auf Praktiken der Radioproduktion

Zusammenfassung
Der Beitrag gibt einen Überblick über die bauliche und technische Geschichte der Studios von Radio-Lausanne (heute Radio Télévision Suisse RTS) im Lausanner Stadtteil La Sallaz seit 1935. Auf Basis von Quellenrecherchen und Zeitzeugeninterviews, die 2025 im Rahmen eines Forschungsprojektes angestellt und geführt wurden, diskutiert er vor allem den Zusammenhang zwischen der Entwicklung des Gebäudes und derjenigen von Praktiken der Radioproduktion. Das Forschungsprojekt begleitete den Auszug des Radios aus dem Gebäude und dokumentierte den Zustand vor bzw. während des Umzugs. Die RTS zieht im Februar 2026 in ein neues Gebäude in Ecublens.

>> www.peristyle.ch

 

Dossier 8
Nicola Navone
Da Studio Radio a Città della Musica
Il riuso e l’ampliamento dell’edificio di Camenzind, Jäggli e Tami a Lugano-Besso

Zusammenfassung
Vom Radiostudio zur Città della Musica
Nach einem Blick auf die Vorgeschichte befasst sich der Artikel mit dem Umbauprojekt des zwischen 1951 und 1962 nach den Plänen von Alberto Camenzind, Augusto Jäggli und Rino Tami realisierten Studios der Radio della Svizzera italiana – als neuer Sitz des Konservatoriums der italienischen Schweiz und weiterer musikalischer Institutionen der Region. Die±Gewinner des Wettbewerbs, das Basler Büro±Archi tecture Club, entwickelten einen Entwurf, der sich an der geometrischen Struktur und Materialität der ursprünglichen Bauten orientiert. Im Zentrum steht dabei die Herstellung eines respektvollen und fruchtbaren Dialogs zwischen Bestand und neuem Verwendungszweck.

 

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Nicole Bauermeister, Direktorin der GSK
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Kulturerbe und Digitalisierung

 

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Kunst als Mysterium
Werke Ferdinand Gehrs in Zug, Oberwil und Bad Schönbrunn

Ferdinand Gehr (1896–1996) war eine prägende Figur der Schweizer Moderne, dessen künstlerische Laufbahn praktisch das gesamte 20. Jahrhundert umspannte.
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Publikationen der GSK | Publications de la SHAS | Pubblicazioni della SSAS
Isabelle Roland, en collaboration avec Camille Noverraz
La Basilique NotreDame de l’Assomption à Lausanne

La Basilique Notre-Dame de l’Assomption à la rue du Valentin à Lausanne, achevée en 1834, est l’oeuvre d’Henri Perregaux (1785-1850), l’architecte le plus important et le plus prolixe en terres vaudoises à cette époque.
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    CHF 39.–
     
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Preis
CHF 22.00
GSK-Mitgliederpreis
CHF 16.00
Type:
Buch
Abbildungen
101
Seitenzahl
80
Autoren
Diverse
Artikelnummer
K+A-2025.4
Inhaltssprache
Deutsch
Französisch
Italienisch
Erscheinungsdatum
ISBN
978-3-03797-935-8
Bandnummer
76. Jahrgang, 4.2025 Erscheint vierteljährlich
Verlag
Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte