Der vierte Band des auf fünf Bände angelegten Kunstdenkmälerinventars Uri widmet sich dem Gebiet am Oberlauf der Reuss, der Nordseite des Gotthardmassivs. Historisch und kulturell teilt sich das bearbeitete Gebiet in zwei Landschaften: Das obere Reusstal mit den Gemeinde Silenen, Gurtnellen, Wassen und Göschenen gehört kulturell zum alten Land Uri. Das davon durch die Schöllenenschlucht getrennte Urserntal mit den Gemeinden Andermatt, Hospental und Realp besitzt als Hochtal und Kreuzungspunkt zwischen den Alpenpässen Gotthard, Furka und Oberalp eine weitgehend eigenständige Geschichte und auch ein eigenes kulturelles Selbstverständnis. Handel und Verkehr prägten und prägen die Kulturlandschaft an der Nordrampe des Gotthards seit dem Mittelalter. Die Erschliessung des Gotthardpasses durch einen Saumpfad im 13. Jahrhundert, die fahrbare Strasse ab 1830, die Eisenbahn ab 1882 und schliesslich die Autobahn seit 1982 verlangten stetige Anpassungen. Während das Tal bei Silenen eine charakteristische Streusiedlung ohne eigentliche Dorfkernbildung zeigt, beschränkt sich die Bebauung im Reusstal und in den grossen Seitentälern – Maderanertal, Meiental und Göschenertal – auf die Lawinen und Bergsturz sicheren Orte. Die Wohnhäuser – zum überwiegenden Teil Bauernhäuser – sind eher spärlich, manchmal immerhin noch mit Buffet und Giltsteinofen ausgestattet. Herrschaftliche Wohnhäuser mit entsprechender Ausstattung gibt es nach 1600 nur im Urserntal. Kunst findet sich daher überwiegend in den sakralen Bauten und ihrer Ausstattungen. Als lokale Besonderheit sind hier die Bauten des Barockbaumeisters Bartholomäus Schmid in Ursern anzuführen, die sich durch die charakteristische Gestaltung der Fassaden mit Pilastern und Blendbogen auszeichnen. Am Kreuzungspunkt zwischen Nord und Süd, West und Ost hat sich durch Kulturimport und eigene Kulturleistungen eine erstaunliche Vielfalt entwickelt, die nun in einen kulturhistorischen Rahmen gesetzt durch den vierten Urner Kunstdenkmälerband zugänglich und erfahrbar wird.