k+a 2024.3 : Energie-Architektur | Architecture et énergie | Architettura e energia

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Als Wasserschloss Europas nutzt die Schweiz seit über 100 Jahren die Wasserkraft. Heute sind es rund 700 Wasserkraftwerke, die mehr als die Hälfte der Stromproduktion unseres Landes erzeugen. Doch die neue Bauaufgabe führte zu massiven Eingriffen in die Landschaft. So wird der Kraftwerksbau neben der touristischen Erschliessung und der Modernisierung der Städte zu den Hauptanliegen der frühen Heimatschutzbewegung. Unser Autor Melchior Fischli zeigt anschaulich, wie schon zu jener Zeit eine Versöhnung von moderner Technik und traditionellem Landschaftsbild angestrebt wurde – und wie sich das in der Zwischenkriegszeit in der Architektur einiger Kraftwerksbauten niederschlug.

Den Blick von Künstlern begleitet Martin Bieri in seinem Beitrag über den Bau der Grimselstaumauer. Die Tatsache, dass 1950 auf 2300 Metern über Meer in einer weitgehend unberührten Bergwelt ein Wasserkraftwerk von nationaler Bedeutung entstand, führt den Autor zur Frage: Kann Technik in einer Landschaft schön sein? Die Antwort zeigt, dass sich das Verhältnis von Mensch und Natur in den vergangenen Jahrzehnten massiv verändert hat. Aber auch Kleinarchitekturen wie Trafotürmchen oder Relikte der industriellen Entwicklung wie Gasometer verdeutlichen, wie Energietechnologien des 20. Jahrhunderts den Alltag und unsere gebaute Umwelt beeinflusst haben.

Diese Schlüsseltechnologien – allen voran die Elektrizität – entfesselten zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen Wandel, der auch die kulturelle Landschaft prägt. Sie markiert den Übergang zu einer modernen Gesellschaft, in der wissenschaftliche und technische Errungenschaften in allen Lebensbereichen zu tiefgehenden Veränderungen führen.

 

Essay | Essai | Saggio
Manuel Cecilia
Profanisierung einer göttlichen Kraft
Technische und soziale Aneignung der Elektrizität

Zusammenfassung
Elektrizität entwickelte sich im 19. Jahrhundert von einer mystischen Kraft zu einer Schlüsseltechnologie, die das gesellschaftliche Leben grundlegend veränderte und den Grundstein für die moderne Welt legte. 1816 diskutierten Literaten in der Villa Diodati am Genfersee über die faszinierenden Phänomene der Elektrizität, die zu jener Zeit Wissenschaft und Gesellschaft in Atem hielten. Solche Debatten und die entsprechenden Experimente von Luigi Galvani oder Giovanni Aldini beflügelten die Vorstellung, Elektrizität sei die universelle Lebenskraft. Ausstellungen wie die Pariser Weltausstellung von 1881 stellten die Elektrizität als zukunftsweisende Technologie dar, die bald alltägliche Bereiche wie Beleuchtung und Kommunikation revolutionieren und zur Erleichterung des Lebens beitragen würde. Die Elektrifizierung entfesselte zu Beginn des 20. Jahrhunderts tatsächlich einen Wandel, der nicht nur die technische, sondern auch die kulturelle Landschaft prägte. Sie markierte den Übergang zu einer modernen Gesellschaft, in der wissenschaftliche und technische Errungenschaften und deren Anwendungen die gesellschaftlichen Lebenswelten grundlegend veränderten.

 

Dossier 1
Melchior Fischli
Heimatschutz, Landschaft, Elektrizität
Debatten um Technik und gebaute Umwelt im frühen 20. Jahrhundert

Zusammenfassung
Um 1900 zeichneten sich Wasserkraftwerke gerade auch in der Schweiz als eine neue Bauaufgabe ab, die zu besonders grossmassstäblichen Eingriffen in die Landschaft führte. Es erscheint in diesem Sinn durchaus folgerichtig, dass der Kraftwerksbau neben der touristischen Erschliessung der Landschaft oder der Modernisierung der Städte zu den Hauptanliegen der frühen Heimatschutzbewegung gehörte, die um 1900 aus der Sorge um den Verlust des traditionellen Stadt- und Landschaftsbildes entstanden war. Ein Blick auf die damaligen Debatten zeigt, dass das Ziel nur selten in der reinen Bewahrung des Bestehenden lag, wie es vor allem beim Protest gegen die Zerstörung der Stromschnellen von Laufenburg der Fall war. Vielmehr ging es den Protagonisten der Heimatschutzbewegung um den Versuch einer Versöhnung von moderner Technik und traditionellem Landschaftsbild, wie er sich vor allem in der Zwischenkriegszeit in etlichen realisierten Kraftwerksbauten niederschlug.

 

Dossier 2
Valeria Frei
Tra modernità e mimetismo
L’architettura della prima industria idroelettrica in Leventina

Zusammenfassung
Zwischen Modernität und Mimikry – die Architektur von Wasserkraftwerken in der Leventina
Jeder Reisende, der durch die Leventina fährt, wird zwischen den traditionellen Steinhäusern, Bauten aus dem frühen 20. Jahrhundert und ausgedehnten Industrielagern auch zwei majestätische und elegante Gebäude entdecken, die sich von den anderen unterscheiden und deren Architektur zwischen gotischer Kathedrale und Jugendstil liegt. Dabei handelt es sich um die (alten) Kraftwerke von Biaschina (Bodio, 1906–1911) und Piottino (Lavorgo, 1928–1930). Die Welt der Wasserkraftindustrie zu Beginn des 20. Jahrhunderts umfasst aber auch andere Bauten, die auf den ersten Blick wie mittelalterliche Konstruktionen wirken. Dabei spielt die Verwendung lokaler Materialien eine entscheidende Rolle, spiegelt sie doch den Wunsch wider, die technische Infrastruktur möglichst umfassend in den alpinen Kontext zu integrieren.

 

Dossier 3
Martin Bieri
Die Welt ist eine Baustelle
Zum Verhältnis von Mensch und Natur

Zusammenfassung
Kann Technik in einer Landschaft schön sein? 1950 stiegen die drei Berner Künstler Emil Zbinden (1908–1991), Eugen Jordi (1894–1983) und Rudolf Mumprecht (1908–2019) zur Grimsel auf, um die Errichtung einer Staumauer festzuhalten. Was sie faszinierte, war die Baustelle, denn hier entstand auf 2300 Metern über Meer ein Wasserkraftwerk von nationaler Bedeutung, der höchstgelegen Stausee des hydroelektrischen Systems Grimsel. Die Künstler machten sich auf, die Schönheit einer technisch veränderten Landschaft zu entdecken – dort, wo eigentlich ein anderes Ideal galt: die Schönheit der unberührten Bergwelt. Heute wird auf der Grimsel wieder gebaut. Doch das Verhältnis von Mensch und Natur hat sich in den vergangenen Jahrzehnten massiv verändert – und dennoch zeigt sich auch in der technisch und kulturell geprägten Landschaft immer wieder aufs Neue, dass sie ursprünglich sein kann und somit offen für Sehnsüchte ist.

 

Dossier 4
Yvonne Scheiwiller
Colosses d’acier
Gazomètres et aires industrielles en Suisse

Zusammenfassung
Gasbehälter und Gaswerkareale in der Schweiz
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts dienten Gasbehälter der Speicherung von verschiedenen Arten von Gasen. Die früher auch für kleinere Städte typischen Gaswerke mit Teleskopgasometer sind allerdings heute in der Schweiz fast ganz verschwunden. Eine Reise durch verschiedene Landesteile führt uns zu den Letzten ihrer Art – zum Beispiel in Bern, Zürich und Lausanne – und zeigt zum Teil innovative Ansätze, sie zu erhalten. Die Beispiele von Bern, Schlieren und Lausanne (Prilly-Malley) illustrieren auf unterschiedliche Art und Weise das Schicksal dieser Industriearchitektur, die im Verlauf der 1970er Jahre aufgrund der zunehmenden Verwendung von Erdgas zur Industriebrache wurde und die heute bis auf wenige Ausnahmen umgenutzt oder ganz aus den Stadtbildern verschwunden ist.

 

Online-Inventar industriekultur.ch
In der Schweiz existieren bedeutende Relikte aus der industriellen Vergangenheit, die ein wichtiges nationales und lokales Kulturgut darstellen. Um dieses Erbe zu bewahren, wurde das nationale Online-Inventar industriekultur.ch ins Leben gerufen.
> industriekultur.ch

 

Dossier 5
Jonas Schädler
Stromzähler ab Band
Zur Entwicklung der Fabrikarchitektur von Landis & Gyr in Zug, 1896–1918

Zusammenfassung
Ab 1896 stellte das später unter dem Namen Landis & Gyr weltweit bekannte Unternehmen in Zug Stromzähler für die Elektrifizierung der Schweizer Haushalts her. Die elektrotechnische Industrie verlangte nach Gebäuden, die sich für die Produktion optimal einrichten liessen und dennoch flexibel nutzbar blieben. Entlang diesen Voraussetzungen entstand an der Zuger Hofstrasse bis 1918 eine kompakte Industrieanlage mit Arbeitsplätzen für bis zu 1000 Arbeiterinnen und Arbeiter. Ab 1928 verlegte Landis & Gyr die Produktion auf einen grösseren Standort in Zug. Das Areal an der Hofstrasse blieb aber bis heute erhalten. Vom klassizistischen Backsteinbau über eine grosse, für die Industrie typische Shedhalle bis hin zum markanten, in Betonskelettbauweise erstellten Hochbau ist hier auf engstem Raum die Entwicklung der Fabrikarchitektur am Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert ablesbar.

 

Dossier 6
Michael Leuenberger
Ein Solarkraftwerk mitten in der Stadt
Der Büroneubau des AUE in Basel

Zusammenfassung
Im Stadtzentrum von Basel vereint das achtstöckige Gebäude des Amtes für Umwelt und Energie AUE modernste Photovoltaik und Architektur. Das Bürogebäude ist ein Leuchtturm für Nachhaltigkeit. Es produziert Strom mittels einer innovativen PV-Fassade und sorgt durch seine raffinierte Konstruktion und mithilfe ausgeklügelter Technik auch für ein angenehmes Klima in den Räumen der rund 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Gleichzeitig verleiht die schmucke und aufwändige Photovoltaikfassade dem Gebäude einen ganz individuellen Charakter und bindet es in das denkmalgeschützte Umfeld der Basler Altstadt ein. Dass dabei auch traditionelle Baustoffe wie Holz aus der Region eine wichtige Rolle spielten, macht den Büroneubau umso mehr zum zukunftsweisenden Projekt.

 

Dossier 7
Yvonne Scheiwiller
Trafohäuschen
Vom Reiz des Kleinen in der Architektur

Zusammenfassung
Kleinarchitektur wird gerne belächelt; sie gehört aber zum Inventar von Landschaften und Überbauungen – und manchmal überlebt sie länger als grosse Architekturwerke. Mit dem Bau von Trafotürmen wurde begonnen, um die Elektrizität und ihre Bedienung sicherer zu machen. Ein Trafogebäude bot Schutz vor der Witterung und ermöglichte es dem Elektriker, Manipulationen an einem trockenen Ort vorzunehmen. Trafohäuschen oder Turmtransformatoren stammen aus einer Zeit, in der die Elektrizität auf Masten in die Dörfer kam und in meistens hohen Gebäuden mit kleinem Grundriss heruntertransformiert wurde, um von dort aus in die Haushalte verteilt zu werden. In der Blütezeit dieser Kleinarchitektur von den 1890er bis in die 1940er Jahre entstand eine Vielzahl von Formen und Materialisierungen – bevor die Stromtransformation und die Verteilung in kleine graue Kästen und in den Boden verschwanden.

 

KdS | MAH | MAS
Edith Hunziker, Thomas B. Manetsch, Susanne Ritter-Lutz
Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau XI
Der Bezirk Zurzach I. Aaretal, Surbtal, Kirchspiel Leuggern

Der Bezirk Zurzach liegt im Nordosten des Kantons Aargau am Unterlauf der Aare und am Rhein, der hier die Grenze zu Deutschland bildet. Das Bandgebiet umfasst mit dem Aaretal, dem Surbtal und dem Kirchspiel Leuggern gut die Hälfte des Bezirks und ist in seiner kunst- und kulturgeschichtlichen Bedeutung in verschiedener Hinsicht bemerkenswert, gar einzigartig in der Schweiz.

 

KdS | MAH | MAS
David Ripoll
Les Monuments d’art et d’histoire du canton de Genève VI
Genève, la ceinture Fazyste 1850-1914

Après cinq volumes consacrés à la ville intra-muros et aux murailles de la cité, l’Inventaire des monuments d’art et d’histoire du canton de Genève explore le territoire libéré par le démantèlement des fortifications au milieu du XIXe siècle. En faisant de l’extension urbaine un nouveau champ d’investigation, le présent volume s’inscrit dans la continuité des recherches précédentes, tout en comblant une lacune importante dans la connaissance de l’histoire urbaine.

 

Publikationen der GSK | Publications de la SHAS | Pubblicazioni della SSAS

Neuerscheinungen Kunstführer

  • Philippe Müller, Siegfried Moeri
    La place d’armes de Bière, le quartier militaire
     
  • Philippe Mivelaz
    Les ponts sur le Rhône en Valais Die Rhonebrücken im Wallis
     
  • Sandro Decurtins, Marc Antoni Nay
    Die Cuort Ligia Grischa und der Graue Bund

 

Aktuell | Actuel | Attuale

Netzwerke prägen unser kulturelles Erbe

«Vernetzt» lautet das Thema der 31. Europäischen Tage des Denkmals in der Schweiz. Die Denkmaltage laden zu exklusiven Entdeckungsreisen an historische Orte ein. Am 7. und 8. September 2024 zeigen rund 400 Veranstaltungen, wie sichtbare und unsichtbare Vernetzungen unser kulturelles Erbe prägen.

 

Zum Tod von Andreas Morel
(1938–2024)

 

Auslandreisen | Voyages à l’étranger | Viaggi all’estero

  • Kunst, Kultur und Kulinarik in Südindien
    Genussvoll durch Tamil Nadu und Kerala
     
  • Vielfalt der Königsstädte
    Jahreswechsel in Marrakesch

 

Bücher | Livres | Libri
Mascha Bisping
Dachwerke

Dachwerke – Spitzenleistungen barockzeitlicher Bautechnik in der Schweiz
Jasmin Schäfer
Petersberg: Michael Imhof Verlag, 2023
464 S., 266 Farb- und 341 SW-Abbildungen
ISBN 978-3-7319-1302-3
CHF 99

 

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Preis
CHF 22.00
GSK-Mitgliederpreis
CHF 16.00
Type:
Buch
Abbildungen
122
Seitenzahl
80
Autoren
Diverse
Artikelnummer
K+A-2024.3
Inhaltssprache
Deutsch
Französisch
Italienisch
Erscheinungsdatum
ISBN
978-3-03797-891-7
Bandnummer
75. Jahrgang, 3.2024
Verlag
Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte